Nach zwei Jahren Pandemie hatten alle die Hoffnung auf bessere Zeiten in 2022.
Stattdessen erfolgte der russische Angriffskrieg auf die Ukraine mit Kriegsverbrechen, täglichem Bombenterror auf Menschen und Infrastruktur sowie Millionen, die vor Tod, Zerstörung und Kälte fliehen müssen. Inflation und Energiefragen bereiten auch hierzulande vielen Sorge und Unsicherheit. Und die Warnungen vor dem Klimakollaps werden eindringlicher. Auch Sport-Großereignisse wie die Olympischen Winterspiele oder die Fußball-Weltmeisterschaft führten nicht wirklich zu Entspannung. Die Menschenrechtsverletzungen in China und Katar spielten mit.
Wir als Amnesty International haben intensiv dazu gearbeitet. Zahlreiche weitere politische und menschenrechtliche Krisen hielten die Welt in Atem. Mal mehr, mal weniger im Fokus der täglichen Nachrichten. Durch unsere weltweiten Recherchen haben wir vieles aufgedeckt und öffentlich gemacht: Routinemäßige Folter an Oppositionellen und Einsatz von Landminen durch die Militärbehörden in Myanmar. Schwere Menschenrechtsverstöße durch die Taliban in Afghanistan, wie außergerichtliche Hinrichtungen, Verschwindenlassen, Folter, willkürliche Inhaftierungen, massive Einschränkung der Rechte von Frauen und Mädchen, Zensur von Medien sowie Repressalien gegen Menschenrechtsverteidiger*innen. Pushbacks und Not von Geflüchteten an den EU-Außengrenzen, schwere Menschenrechtsverletzungen in Venezuela, El Salvador und in der Bürgerkriegsregion Tigray/Äthiopien.
Gemeinsam mit allen Unterstützer*innen von Amnesty International haben wir 2022 dennoch auch für gute Nachrichten sorgen können! Herzlichen Dank dafür! Für unzählige Menschen haben wir einen Unterschied gemacht, Hoffnung und Freude gegeben, Angehörigen Mut gemacht oder Opfer vor Vergessen geschützt. Gewaltlose politische Gefangene kamen frei, Regierungen haben Gesetze zum Schutz der Menschenrechte verändert, Verantwortliche für Menschenrechtsverletzungen wurden bestraft.
Die iranische Menschenrechtsverteidigerin Atena Daemi war 2015 zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden, weil sie öffentlich die Abschaffung der Todesstrafe gefordert und Menschenrechtsverletzungen in iranischen Gefängnissen kritisiert hatte. In der Haft wurde sie geschlagen und mit Pfefferspray traktiert. Doch auch das konnte ihren Willen nicht brechen: „Meine Stimme kann durch grausame und ungerechte Handlungen nicht zum Schweigen gebracht werden“, schrieb Atena Daemi in einem Brief aus dem Gefängnis. Amnesty hatte sich jahrelang immer wieder für ihre Freilassung eingesetzt. Mit Erfolg: Anfang 2022 wurde sie endlich aus der Haft entlassen und schrieb nach ihrer Freilassung: „Ich möchte euch für eure Empathie, Solidarität, Unterstützung und Kämpfe in all diesen Jahren danken. Das war moralische Unterstützung für meine Familie und Inspiration für mich. Ich hoffe, dass wir unseren ersten und letzten Wunsch erfüllen, nämlich Freiheit, öffentliches Bewusstsein und die Verwirklichung der Menschenrechte.“
Das Jahr 2022 war auch für die Kölnerin Mariam Claren ein Wechselbad der Gefühle. Ihre Mutter Nahid Taghavi ist seit mehr als zwei Jahren im Teheraner Evin-Gefängnis inhaftiert. Die deutsch-iranische Frauenrechtlerin ist zu zehn Jahren Haft verurteilt. Im Sommer dann die gute Nachricht: Hafturlaub für Nahid Taghavi wegen ihrer schweren gesundheitlichen Probleme. Auch Amnesty hatte sich dafür eingesetzt. Im Zuge der Proteste im Iran wurden die Daumenschrauben der Behörden jedoch wieder angezogen: Ende November musste Nahid Taghavi ins Gefängnis zurück. Ihre Tochter schrieb uns kurz vor Weihnachten: „Ich möchte dem gesamten Team von Amnesty Deutschland sowie allen Amnesty-Aktvist*innen von Herzen danken und schöne Feiertage wünschen. Ich weiß wirklich nicht, wo ich ohne euch wäre. Danke für euren unermüdlichen Einsatz, eure Arbeit und vor allen Dingen eure Solidarität, nicht nur für mich und Nahid, sondern im Namen aller Iraner*innen. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit in 2023 und sende euch alles Liebe aus Köln.“
Right to Protest – Protect the Protest: Das Recht zu protestieren, das Elementarste, was Menschen haben, um für ihre Rechte einzutreten. Das wird 2023 eine unserer Hauptkampagnen sein. Immer mehr Regierungen schränken dieses elementare Recht ein und umso wichtiger ist es, darauf aufmerksam zu machen. Wir knüpfen damit an, wo wir als Amnesty vor mehr als 60 Jahren begonnen haben: die Menschenrechte jeder Einzelnen und jedes Einzelnen zu schützen. Dass wir gemeinsam etwas bewegen können, zeigen die Erfolge, die wir durch unermüdlichen Einsatz und langen Atem immer wieder erreichen. Danke, dass Sie uns dabei geholfen haben! Krieg in der Ukraine, im Jemen, in Syrien, falsche Versprechen durch Taliban in Afghanistan, ein Iran am Scheideweg, Wahlen in der Türkei, vergessene Konflikte in Myanmar und an vielen Orten der Welt, Menschen, die für ihre Rechte eintreten und Schutz brauchen – wir werden auch in diesem Jahr nicht müde werden, für gute Nachrichten zu sorgen! In diesem Sinne: Erinnern wir uns an unsere gemeinsame Kraft und die Möglichkeit, etwas zu verändern! Danke für Ihre Unterstützung unserer Menschenrechtsarbeit!